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Standpunktdiskussion

Spannende 5. CMC Masters Club Standpunktdiskussion 

CMC Masters Club-Standpunktdiskussion: „Freier Markt, freie Menschen, verantwortungsfrei?"

UBIT-Obmann Alfred Harl lud Christian Felber und Stephan Schulmeister zur fünften Standpunktdiskussion ins Hotel Sacher

Die Gäste des CMC Masters Clubs erlebten am 21. Februar im Hotel Sacher eine spannende Diskussion zwischen dem renommierten WIFO-Ökonomen Stephan Schulmeister und dem „Gemeinwohlökonomie"-Initiator und ATTAC-Mitbegründer Christian Felber, die ihre teils sehr unterschiedlichen Positionen zur Lösung der aktuellen Abwärtsspirale im europäischen Wirtschaftsraum präsentierten. Moderator und Gastgeber Alfred Harl stellte als Branchenvertreter für mehr als 54.000 österreichische Unternehmensberater, IT-Experten und Buchhalter die Forderung in den Raum, „dass wir weg von der Fiktionswirtschaft müssen, um die heimischen Unternehmen und Bürger nicht weiter zugunsten der Finanzwirtschaft zu belasten." Denn letztendlich stelle sich gerade in Anbetracht der „Griechenlandkrise" die Frage, ob die Finanzwirtschaft überhaupt noch Teil der Realwirtschaft sei und wie wir dieses Problem lösen können.

Gemeinwohlökonomie zur Rettung des Euro
Christian Felber betonte eingangs, dass die Rettung des Euros technisch gesehen problemlos machbar wäre, allerdings würde es dafür eines Tabubruchs aus Sicht der Regierungen bedürfen. „Das in sehr großem Volumen vorhandene private Vermögen müsste in einem zärtlichen Ausmaß von einem Prozent besteuert werden, und der Abbau der Staatsschulen aller EU-Mitglieder um 50 Prozent in zehn Jahren wäre möglich", so Felber weiter. Denn, so die Begründung: die Finanz- und Immobilienvermögen der privaten Haushalte sind durchschnittlich fünf Mal so groß wie die öffentlichen Schulden. Allerdings sei der Euro, so Felber, in seiner jetzigen Form auch mit dieser Maßnahme auf lange Sicht nicht überlebensfähig, da es eine Währung ohne Staat bisher noch nie gegeben habe. Es brauche zwar keine „Vereinigten Staaten von Europa", aber eine „Vergemeinschaftung" von drei bis vier essenziellen Bereichen der Wirtschaftspolitik, konkreter gesagt der Steuer-, Lohn- und Finanzpolitik und nicht wie bisher ausschließlich der Währungspolitik. Zudem müssten die Finanzmärkte umfassend und streng reguliert werden, sich an ihren Gründungswerten orientieren und nicht gewinn- sondern gemeinwohlorientiert agieren.

Auch in der Bevölkerung gebe es, so Felber, mittlerweile ein Bedürfnis nach einer komplett neuen Wirtschaftsordnung. Die Bertelsmann-Stiftung habe erhoben, dass sich 88 Prozent der deutschen und 90 Prozent der österreichischen Bevölkerung eine neue Wirtschaftsordnung wünschen. Die Gemeinwohlökonomie ist der Lösungsvorschlag Felbers für diese neue Ordnung. Die Werte, die wir bereits teilen, sollen dabei zu den Leitwerten des Wirtschaftens werden und auch in der Rechtsordnung verankert sein. Grundlegende Weichenstellung sei, so Felber, der Ersatz von Gewinnstreben und Konkurrenz durch Gemeinwohlstreben und Kooperation, das heißt unternehmerischer Erfolg soll nicht mehr an monetären Größen gemessen werden. Instrument zur Darstellung ist die Gemeinwohl-Bilanz, die bereits von 534 österreichischen Unternehmen unterstützt wird.

Europäischer Währungsfonds versus Finanzkapitalismus
Stephan Schulmeister stimmte Christian Felber zu, dass die Krise systemischen Charakter habe, allerdings sehe er die Lösung dafür nicht darin, Gemeinwohl vor Eigenwohl zu stellen und ein übergeordnetes Konstrukt dafür zu bauen. Vielmehr folge Schulmeister dem Gedanken von Friedrich August von Hayek, dass dezentral evolutionäre Prozesse konstruktivistischen Lösungen überlegen sind. Bestes Beispiel dafür sei, so Schulmeister, die soziale Marktwirtschaft der 1950er bis 1970er Jahre - eine wirtschaftlich sehr erfolgreiche Zeit, in der das System der sozialen Marktwirtschaft durch „Trial & Error" erarbeitet wurde und „quasi eine Währungsunion mit fixen Wechselkursen bestand." Im Gegensatz zu Felber spricht sich Schulmeister auch für das Konkurrenzprinzip zwischen Unternehmen aus. Der Grund ist organisatorischer Natur: um Dinge, die am Markt nicht honoriert werden durch Gemeinwohlpunkte zu honorieren, bräuchte es Institutionen, die diese Punkte zuteilen - und das sei, so Schulmeister, eine 100jährige Debatte, die bisher nicht gelöst werden konnte. Vielmehr sei es wichtig, dass der Staat für die Konkurrenz und die Art des Spiels verbindliche Rahmenbedingungen vorgibt. Denn ansonsten treibe der Finanzkapitalismus weiterhin ein sinnloses Umverteilungsspiel, das unternehmerisches Verhalten systematisch erschwert, weil die wichtigsten Preise der Welt - wie Wechselkurse, Rohstoffpreise oder Aktienkurse - in einer unnötigen Weise destabilisiert werden.

Eine bundesstaatliche Organisation in Europa sieht Schulmeister zum Scheitern verurteilt, da es für alle europäischen Länder unmöglich sei, ihre unterschiedlichen wirtschaftskulturellen Verhaltensweisen in kürzester Zeit zu ändern. Dadurch sei die Eurokrise ja erst entstanden und dem Finanzkapitalismus wurde Platz gemacht. Die Südeuropäer haben, so Schulmeister, trotz Euro-Einführung weiterhin höhere Lohnsteigerungen zugelassen und die Währungen abgewertet. Anstatt ihre Verhaltensweise entsprechend zu ändern, wurde das Ungleichgewicht in den Leistungsbilanzen und Staatshaushalten immer größer und in der Finanzkrise eklatant sichtbar. Hauptproblem sei, so Schulmeister, dass Währungsunion und Finanzkapitalismus inkompatibel sind, da neue spekulative Aktivitäten zur Ausnützung unterschiedlicher Risiken wiederum neue Risiken produzieren. Ein erster Lösungsschritt könnte es sein, zentrale Preise- wie Wechselkurs und Zinssatz - politisch zu steuern, damit sich das Gewinnstreben direkt in der Realwirtschaft niederschlägt. Notwendig wäre dafür, so Schulmeister, ein europäischer Währungsfonds, die Staatsfinanzierungsagentur aller Staaten, die eine zentrale politische Steuerung in Europa übernimmt.

Eine Bildergalerie zur Veranstaltung finden Sie hier.

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